Vorspiel zu "Die Meistersinger von Nürnberg", WWV 96
Das Vorspiel zu Die Meistersinger von Nürnberg gehört zu den wenigen Werken Richard Wagners, die sich unmittelbar dem Licht, der Heiterkeit und dem Kunstverständnis des bürgerlichen Gemeinwesens zuwenden – ein Umstand, der sich auch in der Musik widerspiegelt. Als einziges großes komisches Werk des Komponisten entstand die Oper zwischen Tristan und Isolde und Parsifal, doch gerade das Vorspiel hebt sich durch seine feierlich festliche, beinahe klassisch anmutende Struktur ab.
Die Ouvertüre ist keine bloße Einführung, sondern ein musikalischer Prolog, der zentrale Motive der Oper mit einer Prägung von Standhaftigkeit und Noblesse vorwegnimmt. Gleich zu Beginn ertönt das würdige Thema der Meistersinger-Zunft in einer kraftvollen C-Dur-Deklamation – ein musikalisches Symbol für Ordnung, Tradition und Regelwerk. In der Folge werden weitere Motive vorgestellt: das lyrische Liebesthema des Stolzing und das lebhafte, fast scherzohafte Walzermotiv, das Wagners Sinn für Humor und szenisches Spiel andeutet.
Wagners meisterhafte Kontrapunktik gipfelt in der groß angelegten Durchführung, in der die Hauptmotive fugiert verarbeitet und auf orchestrale Höhepunkte hin verdichtet werden. Dabei entwickelt sich das Werk in Form und Geist fast wie eine sinfonische Dichtung, ohne die Oper selbst zu benötigen – was erklärt, warum das Vorspiel oft unabhängig im Konzertsaal aufgeführt wird.
Trotz seiner heiteren Oberfläche lässt sich im musikalischen Geflecht auch ein tiefer Ernst erkennen: die Frage nach wahrer Kunst, nach der Verbindung von Innovation und Regel, von Gefühl und Form. Wagner stellt diese Fragen nicht durch Worte, sondern durch die Architektur seines Vorspiels.